Unterstützung in Ladakh

Seit 1993 setzt sich Doris Koch ein für die Verbesserung der Lebensbedingungen in der abgelegenen Lingshed-Region. Sie erzählt, wie alles angefangen hat und welche Begegnungen sie dieses Jahr vor Ort gemacht hat.

1984 bereiste ich Ladakh zum ersten Mal. Die karge Landschaft, die herzlichen und gastfreundlichen Leute und die Kultur faszinieren mich stark, so dass ich mittlerweile elfmal dort war. Auf einer dieser Reisen kam ich 1993 erstmals in das abgelegene Dorf Lingshed. Es war auf einem Trekking zusammen mit meiner Freundin Ariya. Sie machte mich dort mit Geshe Ngawang Jangchup bekannt, den sie von einer früheren Reise kannte. Der Gelehrte war 1991 nach 20 Jahren Studium in Südindien erstmals in sein Heimatdorf Lingshed zurückgekehrt und schockiert: Auch nach zwei Jahrzehnten hatten sich die Lebens- und Ausbildungsbedingungen kaum verbessert.

Entwicklung des Lingshed-Gebiets
Wir überbrachten Geshe Ngawang Jangchup damals die erste Spende, um ein Schulgebäude zu bauen. Das war der Anfang der Unterstützung vor Ort und der Entwicklung der Lingshed Area, die sechs kleine Dörfer umfasst und damals eine der entlegensten Regionen Ladakhs war. Die Schule war nicht sofort ein Erfolg: Da die indischen Lehrer:innen es in diesem abgelegenen Ort nicht lange aushielten, war der Unterricht entsprechend schlecht. Umso schöner ist es, dass in den letzten Jahren junge gut ausgebildete Einheimische als Lehrer:nnen nach Lingshed zurückkehren und mit Enthusiasmus und Freude unterrichten.

Gründung der Lingshed Area Development Foundation
2004 gründete Geshe Ngawang Jangchup die Lingshed Area Development Foundation, kurz LADF. Sie ist in Indien als gemeinnützige Institution registriert. Zahlreiche Projekte der LADF tragen heute zur Entwicklung und Verbesserung der Lebensbedingungen in der Region bei. Dazu gehört ein Hostel für Schüler:innen in Choglamsar, im Distrikt Leh: 2004 wurde es eingeweiht und nahm rund 100 Kinder auf, die Schulen in der Umgebung besuchten. Es bot ihnen ein Stück Heimat in der Fremde. Aktuell wohnen hier 25 bis 30 ältere Schüler:innen, die in Leh weiterführende Schulen besuchen. Zur Finanzierung des Hostels wurde ein Shopping Komplex gebaut, bei dessen Einweihung wir anwesend waren: es handelt sich um eine Art Einkaufszentrum mit kleinen Läden und zuoberst Appartements, die vermietet werden sollen. Ziel ist es, damit zukünftig rund 70% der Auslagen des Hostels zu finanzieren.

Fonds für arme Leute
Der Arme-Leute-Fonds wurde 2009 zusätzlich gegründet, um arme Leute aus der Lingshed Area zu unterstützen und in finanziellen Notlagen schnell zu helfen. In Lingshed übergaben wir die Spenden persönlich an die Leute, dabei entstanden berührende Begegnungen:

  • Dachsanierung
    Eine ältere Frau erzählte uns, dass ihr traditionell mit Weidenruten und Lehm befestigtes Dach undicht war und sie beim letzten Regen zwei Tage in der einzig trockenen Ecke ausharren musste. Das einsturzgefährdete Dach wurde durch den Fonds inzwischen totalsaniert.
  • Glücklich dank Spezialschule
    Vor vier Jahren lernten wir die aufgeweckte Dassel kennen, die nicht reden konnte und in der Schule nicht tragbar war. Wir suchten eine Lösung, aber ihre Eltern wollten sie nicht weggeben. Bei der letzten Reise erfuhren wir nun, dass sie seit vier Monaten in einer Spezialschule in Choglamsar sei, bereits grosse Fortschritte mache und sehr glücklich sei.
  • Ein Abschied mit Versprechen
    Das abgelegenste Dorf der Gegend Zanskar ist Ralakung Nangma (sechs Familien) und Ralakung Phima (vier Familien), es liegt drei Stunden Fussmarsch auseinander. Mit meiner Lingshed -Patentochter Lobzang und ihrem Mann Nawang kamen wir nach einer anstrengenden 2-Tages-Wanderung über zwei hohe Pässe in Nangma an. Am Dorfeingang begrüsste uns ein leeres Schulhaus – in dieses abgelegene Dorf will keine Lehrperson. Die Leute leben von den Yaks: die Milch wird verarbeitet, das Fell wird zu Wolle gesponnen und vom ältesten Mann im Dorf unentgeltlich zu dicken Decken gewoben. Die älteste Frau trafen wir bei der wasserbetriebenen Getreidemühle. Während sie das Mahlen überwachte, nähte sie auf ihrem traditionell gefilzten Stiefel eine neue Sohle auf.

Wir wohnten bei einer Familie mit fünf Jungen. Die Mutter sagte, dass ihr jüngster Sohn und sie nur noch lebten dank dem vom Fonds bezahlten Helikopterflug ins Spital Leh. Wir besuchten auch eine weitere Familie mit fünf Mädchen und ihrer als Nonne lebenden Tante mit geistiger Behinderung. Beim Abschied versammelte sich das ganze Dorf, wir mussten uns auf den ausgebreiteten Teppich setzen, bekamen Joghurt, Tsampa, Tee und eine Kata. Sie sagten, es sei nie jemand gekommen, um ihnen eine Spende zu überreichen und um sich um die Ausbildung ihrer Kinder zu kümmern. Tränen flossen beiderseits. Es gibt zwar einen Amchi, einen Arzt der traditionellen tibetischen Medizinkunde, aber das harte Leben und das Schulproblem bleiben. Wir versprachen, unser Möglichstes zu tun: Priorität ist es, für die jetzt schulpflichtigen Kinder ausserhalb Schulplätze mit Hostelanschluss zu finden – damit sie später studieren können und hoffentlich als Lehrer:innen in ihr Dorf zurückkehren werden.

Tibetfreunde unterstützt die LADF
Dieses Jahr war ich das zehnte Mal in Lingshed – und es war bestimmt nicht meine letzte Reise. Seit 2020 gibt es eine Strasse, sie ersetzt die drei- bis fünftägige Wanderung und erleichtert den Transport von Material und Nahrungsmitteln. Auch gibt es jetzt Internet- oder Telefonverbindungen, was in Notfällen sehr hilfreich ist.

Seit 2023 unterstützt der Verein Tibetfreunde die LADF-Projekte. Weitere Informationen finden Sie hier:  Lingshed Area Development Foundation