2015 reiste ich zum ersten Mal nach Indien. Für mich war klar, dass mich mein Weg nach Dharamsala in die tibetische Diaspora führen würde. Auch wusste ich, dass ich Freiwilligenarbeit leisten möchte. Durch eine glückliche Fügung fand ich Lha Charitable Trust.
Wie ich zu Lha kam
Nach meiner Ausbildung wollte ich Erfahrungen in der humanitären Arbeit sammeln. Im Lonely Planet entdeckte ich Lha Charitable Trust und so machte ich mich auf den Weg. Als ich nach langer Reise mit Flug und Bus schliesslich in den Morgenstunden die Dhauladhar-Bergkette und die vielen Gebetsfahnen erblickte, wusste ich, ich bin am richtigen Ort.
Geschichte Lha
Seit Jahrtausenden haben sich Tibeter:innen eine Lebensweise angeeignet, die ihnen in der Aussenwelt wenig dienlich ist. Die meisten stammen von einer nomadischen und/oder landwirtschaftlichen Lebensweise im Hochgebirge. Im Exil müssen sie neue Fähigkeiten und Sprachen lernen. Lha ist eine Non-Profit Organisation, die sich auf Flüchtlingshilfe und Sozialarbeit spezialisiert hat. Gegründet 1997 von einer kleinen Gruppe Tibeter:innen, unterstützt Lha neu ankommende Flüchtlinge in Dharamsala. Viele von ihnen haben begrenzte formale Bildung, wenig berufliche Kenntnisse und sprechen nur Tibetisch.
Sprachen als Türöffner zur Welt
Eines der ersten Projekte von Lha war der Englischunterricht für neu angekommene Erwachsene. Die Sprachkurse sind bis heute ein wichtiger Kern der Organisation. Lha bietet nun auch Tibetisch, Französisch, Deutsch und Chinesisch an. Täglich findet zudem eine Konversationsklasse statt, in der Lernende ihre Englischkenntnisse vertiefen und die Freiwilligen in Kontakt mit der tibetischen Kultur kommen. Hier findet eine wichtige und bereichernde Interaktion statt, von welcher schliesslich alle profitieren.
Meine erste Erfahrung mit Lha machte auch ich im Sprachunterricht. Zuerst gab ich Nachhilfe, dann übernahm ich eine Englisch- und eine Deutschklasse. Ich bin nach wie vor begeistert wie motiviert und lernwillig die Schüler:innen sind. Da viele Tibetisch nicht als Schriftsprache gelernt haben, brauchen sie zusätzliche methodische Unterstützung beim Erlernen von Fremdsprachen.
Veränderte Herausforderungen der Diaspora in Indien
Seit der Besetzung Tibets hat sich die Situation im Exil stark verändert. Jährlich kommen weniger Flüchtlinge nach Indien und viele zieht es in den Westen. Die Aufgaben der Organisation wandeln sich daher. Berufsbildungskurse sowie der Erhalt der tibetischen Kultur und Sprache werden wichtiger.
Um die Arbeitslosigkeit in der tibetischen Gemeinschaft zu bekämpfen, bietet Lha Kurzzeit-Berufskurse an. Die meisten Teilnehmenden haben die Schule abgebrochen und sind arbeitslos. Das Programm hilft tibetischen Jugendlichen auf eigenen Füssen zu stehen. Es werden unter anderem Back- und Kochkurse, tibetische Massage oder Barista-Kurse angeboten. Einige Absolvent:innen haben mittlerweile eigene Cafés oder Massagesalons in Dharamsala eröffnet. Pemas Backery und das vegane Dharma Café sind Erfolgsgeschichten.
Neben dem Hauptkurs erhalten die Teilnehmenden auch Workshops. Ich biete regelmässig einen Workshop zu Kommunikation und Bewerbung an. Durch Rollenspiele werden die Teilnehmenden auf Bewerbungsgespräche vorbereitet und lernen, Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Diese Lernform ist für viele neu aber nach anfänglicher Unsicherheit sorgt der Kurs für viel Spass und ein Zuwachs an Selbstvertrauen.
Es ist und bleibt Liebe
Die Stärke von Lha liegt darin, dass sie sowohl das Wohl der Gemeinschaft ins Zentrum stellt als auch Freiwillige in ihren Erfahrungen unterstützt. Sie vertreten den Punkt, dass Hilfe nur dann wirkungsvoll ist, wenn beide Seiten davon profitieren. Hilfe ist also als gegenseitige Unterstützung zu verstehen. Ich durfte meine Sprachkenntnisse anbieten, im Gegenzug habe ich viel von der tibetischen Kultur gelernt, was mich als Mensch bereichert hat. Diese Erfahrung hat mich dazu inspiriert Lehrperson zu werden. Nach meinem ersten Aufenthalt habe ich in der Schweiz die Pädagogische Ausbildung abgeschlossen und arbeite nun als Lehrerin. Lha hat meinen Lebensweg inspiriert und geprägt. Seither begleitet mich das Zitat von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama täglich: «Wenn du zum Glück anderer Menschen beiträgst, wirst du den wahren Sinn des Lebens finden. Das Wichtigste ist, einen echten Sinn für universelle Verantwortung zu haben.»
Text: Sarah Weber; Foto: Lha Charitable Trust / Sarah Weber